Wie das fließende Wasser im Binnenland Energie enthält, die man in
Elektrizität umwandeln kann, so stellt auch das bewegte Wasser in den Meeren einen
riesigen, noch nicht ausgenutzten Energievorrat dar. Die Gezeiten sind mit ihrem
regelmäßigen Rhythmus viel zuverlässiger als der Regen, der Stauseen mit Wasser
versorgt.
Wenn man eine künstliche Barriere in schmale Meeresarme baut, kann man das Hochwasser
bei Flut zurückhalten und das Wasserreservoir während der Ebbe zur
Elektrizitätserzeugung ausnutzen.
Seit dem Jahr 1966 gewinnt man zum Beispiel im Gezeitenkraftwerk der
Rance-Mündung in Nordwestfrankreich nahe den bekannten Städten St. Malo und St. Michelle
elektrischen Strom auf diese Weise. Hier übersteigt der Tidenhub oft 12m. Ein 750m langer
Staudamm enthält das erste Gezeitenkraftwerk der Erde. Zweiwegturbinen liegen im Inneren
des Staudammes und werden durch Ebbe oder Flut angetrieben. Am 26.11.´66 wurde der
Staudamm feierlich eingeweiht. Das entstandene Staubecken hat eine Oberfläche von 22 km²
und hat einen Nutzinhalt von 184 Mio m³. Zwischen zwei Gezeiten werden bei großem
Tidenhub 720 Mio m³ Wasser bewegt, was einem mittleren Durchfluss von 15 000 m³/ sec
entspricht; dabei wird der Betrag des Flusses La Rance vernachlässigt. Der Wasserfluss
wird von regulierbaren Schleusen kontrolliert. Das auflaufende Wasser fließt durch
Schleusen hinter das Kraftwerk. Bei Hochwasser schließt man die Schleusen, und bei
Niedrigwasser lässt man das Wasser durch Turbinen abfließen, die im inneren des Dammes
liegen. Dieses Kraftwerk wird auch als Pumpspeicherwerk verwendet; überschüssige, von
anderen Kraftwerken produzierte Elektrizität wird dazu verwendet, um die Turbinen in
umgekehrter Richtung drehen zu lassen, so dass sie wie Pumpen funktionieren. Das
gespeicherte Wasser kann dann Energie bei Spitzenbedarfszeiten wieder abgebeben.
Unter den folgenden Stichpunkten finden Sie weitere
Informationen:
Der Bau
und die baulichen Anlagen:
Lange schon hatte man die Idee von der Nutzung der Gezeiten. Im Oktober 1940 fand R.
Gibrat, der als der Erfinder des Gezeitenkraftwerkes gilt, einen Bericht aus dem Jahre
1920. Bereits 1941 befasste sich eine Studiengruppe mit den ersten Berechnungen.
Im Jahr 1961 begannen die Bauarbeiten an der Rance. In der Fluss- Mündung wurden zwei
bogenförmige Fangdämme an einer Stelle, an der das Flussbett 750 m breit ist, errichtet.
In den Flussboden wurden Stahlbetonzylinder mit einer Höhe von 20 bis 25 m und einem
Durchmesser von 9m gesetzt, so dass sie den mittleren Wasserstand um 14m überragten.
Diese Hohlkörper füllte man mit Tausenden von Tonnen Sand. Nach der Abdichtung der
beiden Dämme besaß man als Baugrube ein ellipsenförmiges Becken, das man leerpumpen
konnte. In diesem Becken wurde dann das Kraftwerk errichtet. Es hat die Form eines
Beton-Hohldammes und nimmt 24 Turbinenaggregate auf. Dieses riesige Bauwerk beinhaltet
350 000 m³ Beton mit 16 000 t Stahl . Von dem Bauwerk sind 90 000 m² Oberfläche dem
Meerwasser ausgesetzt. Die Schleuse für die Schifffahrt hat eine Größe von 65 x 13 m.
Die betonierte Staumauer hat die Ausmaße von 390 x 53 m; ihre Mauerkrone ist als Straße
ausgebildet, welche die Orte Dinard und St. Malo verbindet. In der Staumauer befindet sich
das 332,5 m lange Maschinenhaus. Der aufgeschüttete Damm ist 175m, das Stauwehr 115 m
lang, mit 6 Wagenschützen 15 x 10 m (-Schütze, im Wasserbau bewegliche Vorrichtungen um
den Wasserdurchlauf zu korrigieren).
Die
elektro- mechanische Ausrüstung:
Das Kraftwerk enthält 24- Rohr- Pumpenturbinen zu je 10 MW
nominaler Leistung; je 4 Gruppen sind zu einer Einheit zusammengefasst. Die luftgekühlten
Synchron- Generatoren geben eine Ausgangsspannung von 3,5 kV ab; sie
sind direkt an die Pumpenturbinen gekuppelt und befinden sich in einer wasserdichten
Kapsel. Immer 2 Einheiten geben ihren Strom an eine der beiden Primärspulen der
drei Blocktransformatoren ab, welche eine Ausgangsspannung von 225
kV abgeben und eine Leistung von 80 MVA bringen.
(Das entspricht einer Leistung von 80 Windrädern der neuesten Bauart zu je 1 MVA .)
Das Kraftwerk besitzt für den Fall eines Stromausfalls zur
Energieversorgung zwei Dieselmotoren mit 600kVA. Normalerweise wird das Kraftwerk aber
über das Kabel Dinard- St.Malo mit Strom versorgt.
Die Turbinen arbeiten bei der Füllung des Speicherbeckens bei Flut wie auch bei
der Entleerung bei Ebbe, sowie sie als Pumpwerk eingesetzt werden können. Die Aggregate
erzeugen jährlich rund
540 Mio kWh. Kabel bringen die gewonnene elektrische Energie zu drei Außenstationen. Diese
übernehmen die Teilversorgung der Gebiete von Basse-Normandie, Basse-Seine und Paris,
Rennes, die Region Nantes und Brest.
Die Pumpenturbinen:
Bei den Turbinen handelt es sich um Rohr- Pumpenturbinen mit
horizontaler Welle. Ihre Achse liegt 5,75m unter dem Wasserspiegel des
Staubeckens. Das Turbinenrad ist vom Typ Kaplan und weist einen Außendurchmesser
von 5,35
m auf. Die Laufradschaufeln können von -5° bis +35° verstellt werden und müssen
außerordentlichen Bedingungen genügen. (Die Drehzahl beträgt 93,75 1/ min, die
Durchbrenndrehzahl 260 min /1.) Die Maschinen können in 6 verschiedenen Betriebsarten
arbeiten. Sie können in Turbinen-, Pumpen- und Schiebebetrieb arbeiten, wobei hier zu
beachten ist, dass die drei Betriebsarten in beiden Fließrichtungen arbeiten können, und
so zu sechs Betriebsarten werden. Durch diese vielen Kompromisse sind die Wirkungsgrade,
verglichen mit reinen Pumpen oder Turbinen, nicht sehr hoch.
Der praktische
Betrieb:
Wie schon erwähnt ist das Gezeitenkraftwerk auch ein Pumpspeicherwerk, das mit
Überschussenergie Meerwasser ins Staubecken pumpt, um bei Bedarf Spitzenenergie mit dem
gespeicherten Wasser zu erzeugen. Natürlich steht auch das Wasser aus den Gezeiten zur
Verfügung. Es soll aber nicht dazu dienen, eine möglichst große gleichbleibende
Energiemenge zu erzeugen, sondern es soll finanziell möglichst optimal ausgenutzt werden.
Daher spielen die Energiepreisunterschiede zwischen Überschuss- und Spitzenzeiten eine
ausschlaggebende Rolle im Einsatzplan.
Der Pumpenbetrieb ist aus Gründen der Netzbelastung beschränkt. Anfangs durfte zwischen
7 Uhr morgens und 23 Uhr abends nicht gepumpt werden. Es verblieben also nur 8 mögliche
Stunden zur Energiespeicherung. Durch die Verbesserung des Verbundnetzes konnte die
Pumpzeit fast auf das doppelte ausgedehnt werden. Seit Dezember 1971 kann werktags
zwischen 23 und 7.30 Uhr und zwischen 11.40 und 16.30 Uhr gepumpt werden. Es stehen so ca.
13 Stunden zur Verfügung. Sonntags stehen sogar 18 Stunden zur Energiespeicherung zur
Verfügung. Von 24 Stunden des Tages kann man theoretisch an 18 Stunden Energie erzeugen.
Über ca. 6 Stunden ist wegen der zu geringen Wasserstandsdifferenz keine Energieausbeute
möglich. Die resultierende Energieerzeugung setzt sich aus der Abgabe im Tidenhub minus
der Aufnahme im Pumpenbetrieb zusammen.
Wenn man von der Disponibilität (Verfügbarkeit) eines Energieerzeugers spricht, so
muss die Berechnungsgrundlage klar definiert sein. Im Kraftwerk La Rance gilt als
Berechnungsgrundlage der jeweilige Maschinenzustand morgens um 8 Uhr, egal, ob Wasser zur
Verfügung steht oder nicht. Der so errechnete Bereitschaftsgrad beträgt über 90 % und
entspricht demjenigen einer klassischen thermischen Anlage.
Doch bevor das
Kraftwerk seine Leistungen so ausgeben konnte,
galt es so einige Probleme zu lösen:
Als erstes musste man die Gesetze der Gezeiten kennen, um so eine mögliche
Energieausbeute zu ermöglichen. Ebenso musste man eventuelle Einflüsse eines Bauwerkes,
wie einen Staudamm, auf die Gezeitenamplituden feststellen, d.h. wie hoch die Flut
tatsächlich ansteigt.
Wenn alle Möglichkeiten von Turbinen- und Pumpenbetrieb beim Füllen und Leeren des
Speicherbeckens berücksichtigt werden, so ergeben sich bei einer Gezeit 16 Kombinationen,
wovon jedoch nur 8 einen Energiegewinn ermöglichen . Mit zwei Gezeiten sind es bereits
256 Kombinationen, wovon 104 einen Energiegewinn ermöglichen. Wenn auch noch Strompreise
für Spitzenenergie, bei Energieerzeugung, für Überschussenergie zum Pumpen,
Beschränkungen des Energiebezugs zum Pumpen, Wasserstandsgarantien für Schifffahrt
und
Stillstand einzelner Maschinen usw. in die Berechnung einbezogen werden, so werden die
Zusammenhänge noch in höherer Potenz komplizierter. All diese Bedingungen werden
praktisch im Kraftwerkbetrieb an der Rance berücksichtigt.
Technische Probleme gab es vor allem bei den Abdichtungen (Stimmerringe) der Wellen und dem
Abnutzen der Schaufeln durch das Salzwasser. Die Dichtringe allein können das Eindringen
des Wassers nicht verhindern, deshalb besteht in den Lagern noch ein Öldruck gegen das
Wasser.
Es gab auch Verformungen, welche in der Größenordnung zuerst unbekannt waren und durch
Änderungen der Lagerbedingungen unschädlich gemacht werden mussten. Neuartige
Kohlebürsten wurden entwickelt, weil die ursprünglichen zu schnell abschliffen.
Das größte Problem ist jedoch der Schutz vor Korrosionen.
Empfindliche elektrische Apparate sind in geschlossenen Schränken untergebracht. Alle
Oberflächen aus normalem Baustahl, ob sie ins Wasser eintauchen oder nicht, wurden durch
Anstriche geschützt. Zum anderen wurden die Materialien eingehend geprüft. So wurden
für besonders kritische Maschinenteile Stähle mit hohem Chromgehalt oder
Kupferlegierungen gewählt. Die nichtrostenden Stähle bilden an der Oberfläche eine
Oxydschicht, die weiter Korrosionsangriffe verhindert. Ebenso erweisen sich Kunststoffe
als wertvolle und korrosionsbeständige Materialien.
Um die Bildung galvanischer Ströme zu vermeiden, wird der direkte Kontakt zwischen
Bauteilen aus verschiedenartigen Metallen, wie hoch- und niedriglegierte Stähle oder
Stahl und Kupferlegierungen, möglichst vermieden.
Ein weiterer Schutz bietet der kathodische Korrosionsschutz. Durch Abgabe von Elektronen
aus einem äußerem Stromkreis an die Metalloberfläche wird das Loslösen von Metallionen
verhindert, und die Korrosion kann so gesteuert werden. Statt eine Äußere Stromquelle zu
nutzen, kann auch durch Auflösen einer in den gleichen Elektrolyten eingetauchte
galvanische Anode, ein unedles Metall, der notwendigen Schutzstrom benutzt werden. In
Kraftwerk La Rance wurden platinierte Tantal-Anoden verwendet, da diese am wenigsten Chlor
und Ozon im Meerwasser ausscheiden.
Nachgefasst:
Gezeitenkraftwerke sind vom Gedanken her zunächst besonders umweltfreundliche
Energie
erzeuger, so dass deren Bau immer wieder mal diskutiert wird. Die hydrologischen
Verhältnisse werden nicht verändert, da kein Wasser abgeleitet und an einem anderen Ort
gebracht wird. Es werden lediglich die natürlichen Wasserbewegungen phasenverschoben. Es
muss so keine Bevölkerung dem Gezeitenkraftwerk weichen, noch wird Kulturland unter
Wasser gesetzt. Die Fließgeschwindigkeit des Wassers wird nur in der unmittelbaren Nähe
des Kraftwerks verändert.
Unter Berücksichtigung der Tiden-Amplituden kämen folgende Küsten für den Bau
weiterer Gezeitenkraftwerke in Frage:
- In Europa könnte man in der Bretagne und in der Normandie, sowie an der Westküste
Englands solche Kraftwerke bauen.
- In Amerika kämen die Ostküste von Nord- und Südamerika, besonders an den Grenzen
zwischen Kanada und den USA, und die Ostküste der Baffininseln, im Norden Labradors, in
Frage.
- An den Küsten des Pazifischen und Indischen Ozeans könnte man in Australien
Gezeitenkraftwerke errichten.
Kraftwerke müssen aber immer in der Nähe der Energieverbraucher geplant werden, weil
die Leistungsverluste beachtlich sind - schon im kleinen Deutschland rd. 7 %. Außerdem
können derzeit technisch machbare Gezeitenkraftwerke tatsächlich nur minimale Beträge
zur Energieversorgung leisten. Das betrachtete Kraftwerk an der Rance versorgt
Frankreich zu etwa 0,2 %, d.h. es müsste über 500 gleiche Gezeitenkraftwerke geben, um
genug elektrische Energie zu erzeugen. Bei allen (theoretischen) Vorteilen muss die Frage
gestellt werden, ob dies tatsächlich überhaupt machbar und umweltpolitisch
wünschenswert ist.
Von Kathrin Steffen und Enno Doberschütz
Quellennachweise:
1. Lebendiges Wissen: Die Energie © 1981 by Trewin Coppelstone Book Ltd.,
London
© dt. Ausgabe 1981 by Christian Verlag GmbH, München
2. Alle Wunder dieser Welt © 1968 by Bertelsmann Sachbuchverlag Reinhard
Mohn, Gütersloh und Praesent Verlag, Gütersloh
3.Zeitschrift Technica, Nr. 4, 1974
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Bericht über das
Gezeitenkraftwerk La Rance
Zusammenfassung
Wie das fließende Wasser im Binnenland Energie enthält, die man in
Elektrizität umwandeln kann, so stellt auch das bewegte Wasser in den Meeren einen
riesigen, noch nicht ausgenutzten Energievorrat dar. Die Gezeiten sind mit ihrem
regelmäßigen Rhythmus viel zuverlässiger als der Regen, der Stauseen mit Wasser
versorgt.
Wenn man eine künstliche Barriere in schmale Meeresarme baut, kann man das Hochwasser
bei Flut zurückhalten und das Wasserreservoir während der Ebbe zur
Elektrizitätserzeugung ausnutzen.
Seit dem Jahr 1966 gewinnt man zum Beispiel im Gezeitenkraftwerk der
Rance-Mündung in Nordwestfrankreich nahe den bekannten Städten St. Malo und St. Michelle
elektrischen Strom auf diese Weise. Hier übersteigt der Tidenhub oft 12m. Ein 750m langer
Staudamm enthält das erste Gezeitenkraftwerk der Erde. Zweiwegturbinen liegen im Inneren
des Staudammes und werden durch Ebbe oder Flut angetrieben. Am 26.11.´66 wurde der
Staudamm feierlich eingeweiht. Das entstandene Staubecken hat eine Oberfläche von 22 km²
und hat einen Nutzinhalt von 184 Mio m³. Zwischen zwei Gezeiten werden bei großem
Tidenhub 720 Mio m³ Wasser bewegt, was einem mittleren Durchfluss von 15 000 m³/ sec
entspricht; dabei wird der Betrag des Flusses La Rance vernachlässigt. Der Wasserfluss
wird von regulierbaren Schleusen kontrolliert. Das auflaufende Wasser fließt durch
Schleusen hinter das Kraftwerk. Bei Hochwasser schließt man die Schleusen, und bei
Niedrigwasser lässt man das Wasser durch Turbinen abfließen, die im inneren des Dammes
liegen. Dieses Kraftwerk wird auch als Pumpspeicherwerk verwendet; überschüssige, von
anderen Kraftwerken produzierte Elektrizität wird dazu verwendet, um die Turbinen in
umgekehrter Richtung drehen zu lassen, so dass sie wie Pumpen funktionieren. Das
gespeicherte Wasser kann dann Energie bei Spitzenbedarfszeiten wieder abgebeben.
Der Bau und die baulichen Anlagen:
Lange schon hatte man die Idee von der Nutzung der Gezeiten. Im Oktober 1940 fand R.
Gibrat, der als der Erfinder des Gezeitenkraftwerkes gilt, einen Bericht aus dem Jahre
1920. Bereits 1941 befasste sich eine Studiengruppe mit den ersten Berechnungen.
Im Jahr 1961 begannen die Bauarbeiten an der Rance. In der Flussmündung wurden zwei
bogenförmige Fangdämme an einer Stelle, an der das Flussbett 750 m breit ist, errichtet.
In den Flussboden wurden Stahlbetonzylinder mit einer Höhe von 20 bis 25 m und einem
Durchmesser von 9m gesetzt, so dass sie den mittleren Wasserstand um 14m überragten.
Diese Hohlkörper füllte man mit Tausenden von Tonnen Sand. Nach der Abdichtung der
beiden Dämme besaß man als Baugrube ein ellipsenförmiges Becken, das man leerpumpen
konnte. In diesem Becken wurde dann das Kraftwerk errichtet. Es hat die Form eines
Beton-Hohldammes und nimmt 24 Turbinen aggregate auf. Dieses riesige Bauwerk beinhaltet
350 000 m³ Beton mit 16 000 t Stahl . Von dem Bauwerk sind 90 000 m² Oberfläche dem
Meerwasser ausgesetzt. Die Schleuse für die Schifffahrt hat eine Größe von 65 x 13 m.
Die betonierte Staumauer hat die Ausmaße von 390 x 53 m; ihre Mauerkrone ist als Straße
ausgebildet, welche die Orte Dinard und St. Malo verbindet. In der Staumauer befindet sich
das 332,5 m lange Maschinenhaus. Der aufgeschüttete Damm ist 175m, das Stauwehr 115 m
lang, mit 6 Wagenschützen 15 x 10 m (-Schütze, im Wasserbau bewegliche Vorrichtungen um
den Wasserdurchlauf zu korrigieren).
Die elektro- mechanische Ausrüstung:
Das Kraftwerk enthält 24- Rohr- Pumpenturbinen zu je 10 MW
nominaler Leistung; je 4 Gruppen sind zu einer Einheit zusammengefasst. Die luftgekühlten
Synchron- Generatoren geben eine Ausgangsspannung von 3,5 kV ab; sie
sind direkt an die Pumpenturbinen gekuppelt und befinden sich in einer wasserdichten
Kapsel. Immer 2 Einheiten geben ihren Strom an eine der beiden Primärspulen der
drei Blocktransformatoren ab, welche eine Ausgangsspannung von 225
kV abgeben und eine Leistung von 80 MVA bringen.
(Das entspricht einer Leistung von 80 Windrädern der neuesten Bauart zu je 1 MVA .)
Das Kraftwerk besitzt für den Fall eines Stromausfalls zur
Energieversorgung zwei Dieselmotoren mit 600kVA. Normalerweise wird das Kraftwerk aber
über das Kabel Dinard- St.Malo mit Strom versorgt.
Die Turbinen arbeiten bei der Füllung des Speicherbeckens bei Flut wie auch bei
der Entleerung bei Ebbe, sowie sie als Pumpwerk eingesetzt werden können. Die Aggregate
erzeugen jährlich rund
540 Mio kWh. Kabel bringen die gewonnene elektrische Energie zu drei Außenstationen. Diese
übernehmen die Teilversorgung der Gebiete von Basse-Normandie, Basse-Seine und Paris,
Rennes, die Region Nantes und Brest.
Die Pumpenturbinen:
Bei den Turbinen handelt es sich um Rohr- Pumpenturbinen mit
horizontaler Welle. Ihre Achse liegt 5,75m unter dem Wasserspiegel des
Staubeckens. Das Turbinenrad ist vom Typ Kaplan und weist einen Außendurchmesser von 5,35
m auf. Die Laufradschaufeln können von -5° bis +35° verstellt werden und müssen
außerordentlichen Bedingungen genügen. (Die Drehzahl beträgt 93,75 1/ min, die
Durchbrenndrehzahl 260 min /1.) Die Maschinen können in 6 verschiedenen Betriebsarten
arbeiten. Sie können in Turbinen-, Pumpen- und Schiebebetrieb arbeiten, wobei hier zu
beachten ist, dass die drei Betriebsarten in beiden Fließrichtungen arbeiten können, und
so zu sechs Betriebsarten werden. Durch diese vielen Kompromisse sind die Wirkungsgrade,
verglichen mit reinen Pumpen oder Turbinen, nicht sehr hoch.
Der praktische Betrieb:
Wie schon erwähnt ist das Gezeitenkraftwerk auch ein Pumpspeicherwerk, das mit
Überschussenergie Meerwasser ins Staubecken pumpt, um bei Bedarf Spitzenenergie mit dem
gespeicherten Wasser zu erzeugen. Natürlich steht auch das Wasser aus den Gezeiten zur
Verfügung. Es soll aber nicht dazu dienen, eine möglichst große gleichbleibende
Energiemenge zu erzeugen, sondern es soll finanziell möglichst optimal ausgenutzt werden.
Daher spielen die Energiepreisunterschiede zwischen Überschuss- und Spitzenzeiten eine
ausschlaggebende Rolle im Einsatzplan.
Der Pumpenbetrieb ist aus Gründen der Netzbelastung beschränkt. Anfangs durfte zwischen
7 Uhr morgens und 23 Uhr abends nicht gepumpt werden. Es verblieben also nur 8 mögliche
Stunden zur Energiespeicherung. Durch die Verbesserung des Verbundnetzes konnte die
Pumpzeit fast auf das doppelte ausgedehnt werden. Seit Dezember 1971 kann werktags
zwischen 23 und 7.30 Uhr und zwischen 11.40 und 16.30 Uhr gepumpt werden. Es stehen so ca.
13 Stunden zur Verfügung. Sonntags stehen sogar 18 Stunden zur Energiespeicherung zur
Verfügung. Von 24 Stunden des Tages kann man theoretisch an 18 Stunden Energie erzeugen.
Über ca. 6 Stunden ist wegen der zu geringen Wasserstandsdifferenz keine Energieausbeute
möglich. Die resultierende Energie erzeugung setzt sich aus der Abgabe im Tidenhub minus
der Aufnahme im Pumpenbetrieb zusammen.
Wenn man von der Disponibilität (Verfügbarkeit) eines Energieerzeugers spricht, so
muss
die Berechnungsgrundlage klar definiert sein. Im Kraftwerk La Rance gilt als
Berechnungsgrundlage der jeweilige Maschinenzustand morgens um 8 Uhr, egal, ob Wasser zur
Verfügung steht oder nicht. Der so errechnete Bereitschaftsgrad beträgt über 90 % und
entspricht demjenigen einer klassischen thermischen Anlage.
Doch bevor das Kraftwerk seine Leistungen so ausgeben
konnte,
galt es so einige Probleme zu lösen:
Als erstes musste man die Gesetze der Gezeiten kennen, um so eine mögliche
Energieausbeute zu ermöglichen. Ebenso musste man eventuelle Einflüsse eines Bauwerkes,
wie einen Staudamm, auf die Gezeitenamplituden feststellen, d.h. wie hoch die Flut
tatsächlich ansteigt.
Wenn alle Möglichkeiten von Turbinen- und Pumpenbetrieb beim Füllen und Leeren des
Speicherbeckens berücksichtigt werden, so ergeben sich bei einer Gezeit 16 Kombinationen,
wovon jedoch nur 8 einen Energiegewinn ermöglichen . Mit zwei Gezeiten sind es bereits
256 Kombinationen, wovon 104 einen Energiegewinn ermöglichen. Wenn auch noch Strompreise
für Spitzenenergie, bei Energieerzeugung, für Überschussenergie zum Pumpen,
Beschränkungen des Energiebezugs zum Pumpen, Wasserstandsgarantien für Schifffahrt und
Stillstand einzelner Maschinen usw. in die Berechnung einbezogen werden, so werden die
Zusammenhänge noch in höherer Potenz komplizierter. All diese Bedingungen werden
praktisch im Kraftwerkbetrieb an der Rance berücksichtigt.
Technische Probleme gab es vor allem bei den Abdichtungen (Simmerringe) der Wellen und dem
Abnutzen der Schaufeln durch das Salzwasser. Die Dichtringe allein können das Eindringen
des Wassers nicht verhindern, deshalb besteht in den Lagern noch ein Öldruck gegen das
Wasser.
Es gab auch Verformungen, welche in der Größenordnung zuerst unbekannt waren und durch
Änderungen der Lagerbedingungen unschädlich gemacht werden mussten. Neuartige
Kohlebürsten wurden entwickelt, weil die ursprünglichen zu schnell abschliffen.
Das größte Problem ist jedoch der Schutz vor Korrosionen.
Empfindliche elektrische Apparate sind in geschlossenen Schränken untergebracht. Alle
Oberflächen aus normalem Baustahl, ob sie ins Wasser eintauchen oder nicht, wurden durch
Anstriche geschützt. Zum anderen wurden die Materialien eingehend geprüft. So wurden
für besonders kritische Maschinenteile Stähle mit hohem Chromgehalt oder
Kupferlegierungen gewählt. Die nichtrostenden Stähle bilden an der Oberfläche eine
Oxydschicht, die weiter Korrosionsangriffe verhindert. Ebenso erweisen sich Kunststoffe
als wertvolle und korrosionsbeständige Materialien.
Um die Bildung galvanischer Ströme zu vermeiden, wird der direkte Kontakt zwischen
Bauteilen aus verschiedenartigen Metallen, wie hoch- und niedriglegierte Stähle oder
Stahl und Kupferlegierungen, möglichst vermieden.
Ein weiterer Schutz bietet der kathodische Korrosionsschutz. Durch Abgabe von Elektronen
aus einem äußerem Stromkreis an die Metalloberfläche wird das Loslösen von Metallionen
verhindert, und die Korrosion kann so gesteuert werden. Statt eine Äußere Stromquelle zu
nutzen, kann auch durch Auflösen einer in den gleichen Elektrolyten eingetauchte
galvanische Anode, ein unedles Metall, der notwendigen Schutzstrom benutzt werden. In
Kraftwerk La Rance wurden platinierte Tantal-Anoden verwendet, da diese am wenigsten Chlor
und Ozon im Meerwasser ausscheiden.
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